Malteser Höhlenrettung – Rettung unter extremen Anforderungen
Das Einsatzgebiet der Malteser Höhlenrettung sind die rund 3.000 Karsthöhlen in Baden-Württemberg. Bei fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und Temperaturen von acht bis zehn Grad kann in engen und senkrechten unterirdischen Gängen schon die Rettung eines Menschen mit einem verstauchten Knöchel ungeahnte Anforderungen stellen. Daher verfügen die Ersthelfer und -helferinnen auch über Kenntnisse in Einseiltechnik, vertikalem Tragentransport, Seilbahnbau, Höhlentauchen und über medizinisches Spezialwissen für so ein Rettungsumfeld. Im Interview gibt Dr. Jens Hornung, Gründer und Einsatzleiter der Malteser Höhlenrettung, Einblick in die Arbeit dieser hochqualifizierten und bei den Maltesern bundesweit einzigartigen Einsatzeinheit:
Malteser und Höhlenrettung: Wie sind die baden-württembergischen Malteser zur Höhlenrettung gekommen?
Seit ca. 1980 gab es in unserer Region Überlegungen, wie man Menschen aus Höhlen retten könnte. Anfang 1986 hat sich dann aus fünf lokalen Höhlenvereinen die Höhlenrettung gegründet. Kurz darauf lernten wir über einen speziell für uns gestalteten Erste-Hilfe-Kurs die Malteser in Göppingen kennen. Das war eine überaus fruchtbare Zusammenarbeit. So sind wir schließlich 1988 als Gruppe dem Malteser Hilfsdienst beigetreten, um unsere eh schon professionelle Arbeit mit den Möglichkeiten einer überregionalen und potenten Rettungsorganisation zu vereinen.
Wie setzt sich das Team der Höhlenrettung zusammen?
Wir haben eine Zugführerin und generell einen hohen Frauenanteil, auf den wir stolz sind - trotzdem verzichte ich jetzt mal auf das Gendern. Wir haben Seiltechniker, Sprengberechtigte, Taucher, Notärzte, Notfallsanitäter, Geologen - und natürlich bringt jeder noch Fachkenntnisse aus seinem Beruf mit. Viele sind aus Kreisen der Höhlenforschung zu uns gekommen, das ist jedoch keine Voraussetzung.
Wann sind die Einsatzzeiten der Höhlenretter? Wo ist das Einsatzgebiet?
Über den Winter von Oktober bis April ist Fledermausschutzzeit. In der Regel geht in dieser Zeit niemand in Höhlen. Die Unfall-Saison ist daher eher im Sommer. In Baden-Württemberg gibt es über 3.000 Höhlen, zu denen wir im Notfall gerufen werden könnten, aber wir helfen natürlich überall dort, wo man uns braucht.
Welche fachlichen und menschlichen Qualifikationen muss ein Höhlenretter mitbringen?
Eine gewisse Furchtlosigkeit und körperliche Fitness müssen schon sein. In Höhlen ist es eng, rutschig, nass, kalt (ganzjährig 8 Grad) und man hängt in beträchtlicher Höhe am Seil oder muss tauchen. Wenn mal was nicht gleich funktioniert, sollte man cool reagieren und erst mal überlegen, wie man aus der Situation wieder rauskommt. Man muss lernen, sich in diesem Umfeld sicher zu bewegen. Das lernt man in einem Höhlenverein oder bei uns.
Wie läuft ein Einsatz normalerweise ab – von der Alarmierung bis zur Rettung?
Wir werden von der Rettungsleitstelle Göppingen alarmiert. Dann sind seit dem Unfall aber oft schon bis zu mehreren Stunden vergangen – das Handy funktioniert unter Tage nicht, der Melder des Unfalls muss also erst aus der Höhle raus, dann hat das Handy in engen Tälern der Schwäbischen Alb oft kein Netz ... das alles dauert. Wir sind alle ehrenamtlich und meist werden wir am Wochenende alarmiert. Da müssen die Retter oft erstmal nach Hause, ihre persönliche Ausrüstung holen. Generell fahren wir wegen der überregionalen Verteilung unserer Retter dann mit Privatfahrzeug direkt zum Einsatzort. Auch unser Einsatzleitfahrzeug mit dem Rettungsmaterial muss an der Rettungswache abgeholt werden. Im Endeffekt dauert das dann ab Alarmierung nochmal ein bis drei Stunden, bis die Rettung anläuft. Deshalb ist auch die Erste Hilfe durch Kameraden direkt in der Höhle so extrem wichtig.
Was sind die häufigsten Einsatzorte oder Vorfälle? Welcher Einsatz ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Am meisten passieren sogenannte „Hochwassereinschlüsse“, also wenn eine Gruppe die Wetterlage gar nicht oder falsch einschätzt. Dann füllen sich manche Höhlengänge mit Wasser bis zur Decke auf. Das nennt man dann einen Siphon. In manchen Höhlen kann man ertrinken, aber meist findet sich noch ein trockenes Plätzchen. Dann friert man ohne Ende, bis nach einigen Tagen das Wasser den Rückweg wieder frei gibt. Deshalb müssen wir da unbedingt helfen, um die Zwischenzeit zu überbrücken. Ein herausfordernder Einsatz war, als ein Schwerverletzter durch einen solchen Siphon durchgetaucht werden musste. Das war Premiere in Deutschland.
Wie halten sich die Höhlenretter fit? Wie sieht das Training aus?
Für körperliche Fitness sorgt jeder selbst. Für unsere speziellen Fähigkeiten und Kenntnisse gibt es Ausbildungsprogramme, die abendfüllend, ganztägig oder einmal im Jahr mehrtägig sind. Außerdem führen wir regelmäßig Ernstfallübungen durch. Diese sind vom Ablauf und dem Unfallszenario so realitätsnah wie nur möglich. Ein Außenstehender könnte die Übungen nicht von einem Ernstfall unterscheiden, inkl. Alarmierung, Schminke und Kunstblut ;-).
Mit welchen Organisationen arbeiten die Höhlenretter zusammen? Gibt es Netzwerke auf (inter-)nationaler Ebene?
Meist ist die Feuerwehr vor Ort. Wir arbeiten eng mit unseren Kollegen der Höhlenrettung Baden-Württemberg e.V. und der Bergwacht zusammen. Auf nationaler Ebene sind wir Mitglied im Höhlenrettungsverbund Deutschland (HRVD), international sind wir mit der European Cave Rescue Organisation (ECRA) verbunden.
Wie verhalten sich Höhlenbesucher/Höhlenkletterer/Höhlenforscher richtig?
Das Wichtigste ist, dass keiner allein geht. Wer soll sonst Hilfe holen und wer Erste Hilfe leisten? Also mindestens zu dritt wäre sinnvoll. Es kann aber auch sein, dass keiner mehr aus der Höhle kommt. Dann sollte jemand Bescheid wissen, wo die Gruppe ist und wann er wen anrufen soll, um Rettung zu organisieren. Weitreichendere Tipps gibt es mit dem Matrixcode (siehe oben).
Am besten ist aber, wenn nichts passiert. Dafür hilft eine gute Ausbildung in einem Höhlenverein oder gleich bei uns.
(Interview: Petra Ipp-Zavazal, Februar 2024)
Weitere Infos und Kontakt
Email: info@hoehlenrettung.de
Webseite: www.hoehlenrettung.de
Fotocredits: H. Köble, K. Gessert, Artur Hoffmann, J. Hornung