Gut vorbereitet für den Notfall - Erste Hilfe in Zeiten von Corona

Malteser Ausbilderin Petra Bortz bei ihrem ersten Erste-Hilfe-Kurs nach der Corona-Zwangspause. Foto: Sabine Ackermann
Malteser Ausbilderin Petra Bortz bei ihrem ersten Erste-Hilfe-Kurs nach der Corona-Zwangspause. Foto: Sabine Ackermann
Blick in den Schulungsraum der Uhinger Malteser mit vier Quadratmetern Platz für jeden. Foto: Sabine Ackermann
Blick in den Schulungsraum der Uhinger Malteser mit vier Quadratmetern Platz für jeden. Foto: Sabine Ackermann
Die Erfolgschancen einer Wiederbelebung sind umso größer, je früher die Herzdruckmassage einsetzt. Deshalb wird fleißig an "Anne" geübt. Foto: Sabine Ackermann
Die Erfolgschancen einer Wiederbelebung sind umso größer, je früher die Herzdruckmassage einsetzt. Deshalb wird fleißig an "Anne" geübt. Foto: Sabine Ackermann
Auch das richtige Anlegen von Verbänden gehört zur Ersten Hilfe. Foto: Sabine Ackermann
Auch das richtige Anlegen von Verbänden gehört zur Ersten Hilfe. Foto: Sabine Ackermann
Vor 60 Jahren fand der erste Erste-Hilfe-Kurs bei den Maltesern im Kreis Göppingen statt. Foto: Malteser Archiv
Vor 60 Jahren fand der erste Erste-Hilfe-Kurs bei den Maltesern im Kreis Göppingen statt. Foto: Malteser Archiv

Uhingen. Unter Einhaltung aller verbindlichen Anweisungen zum Hygieneplan fand kürzlich im Gebäude der Uhinger Malteser seit langem wieder ein Erste-Hilfe-Kurs statt. „Auch um zu testen, was wir alles dafür machen müssen“, sagt die stellvertretende Ausbildungsleiterin Katrin Scheel. Gleich vorneweg - es ist eine Menge. So ist beispielsweise für den Führerschein dieser Kurs Pflicht. Doch mal ehrlich, das Knowhow geht oft wieder verloren, wer ist einige Jahre später noch in der Lage, die stabile Seitenlage sicher anzuwenden? Ein Auffrischungskurs hilft all denen, die im Notfall das richtige tun wollen - und das sollte eigentlich jeder. 

„Sind alle da? Jetzt können Sie die Masken herunternehmen“, begrüßt Petra Bortz die Anwesenden. „Seit März gab es keine Kurse mehr, ich bin die Erste, die das mit Corona macht“, verrät die Ausbilderin und scheint deswegen etwas aufgeregt zu sein. Kein Grund, denn das Malteser Team hat sich bestens auf diesen Kurs vorbereitet. Allein durch das ständige Desinfizieren von Anne ging jede Menge an Zeit verloren. Doch bevor die widerstandsfähige Reanimationspuppe „wiederbelebt“ wurde, bekam jeder der 13 Teilnehmenden sein eigenes Refugium von vier Quadratmetern mit Tisch, Kugelschreiber, Maske, Handschuhen, Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial zugeteilt. „Wir gucken, wie wir das miteinander geregelt bekommen“, so Petra Bortz, bevor sie den Ablauf der Vorsichtsmaßnahmen erklärt: Abstand einhalten, Hände und Tische desinfizieren, mit Handschuhen und Mundschutz pfleglich umgehen, den Kuli behalten, da sich auf dem Kunststoff das Virus festsetzen kann, Eingangstüre geöffnet lassen und zur Toilette außen rum gehen. Bevor es mit dem eigentlichen Kurs losging, erfuhren die Teilnehmenden noch einiges zu den Aufgaben und Leistungen dieser katholischen Hilfsorganisation und wie man richtig seine Hände desinfiziert. 

Mit der Vorstellungsrunde der sieben Männer und sechs Frauen stellte sich schnell heraus, etwa die Hälfte ist quasi gezwungenermaßen hier, denn ohne Erste-Hilfe-Kurs gibt es auch keinen Führerschein. Bei Mark ist es bereits zehn Jahre her, durch den Kurs erhofft er sich, seinen Führerschein wieder zurück zu erlangen. Weil ihr Mann einen Schlaganfall hatte, will Christel ihre Kenntnisse auffrischen. „Ich mache alle drei Jahre einen Kurs“, verrät Alex, der viel auf Baustellen ist und wegen der erhöhten Unfallgefahr gewappnet sein will. Student Bastian ist gespannt, was sich seit 2012 bei der Seitenlage alles geändert hat. Als internationale Fotografin ist Tamara viel mit dem Motorrad unterwegs, bei ihr liegt der Kurs auch schon elf Jahre zurück. 

„Was ist ein Notfall?“ wirft Petra Bortz die Frage in die Runde. Es erinnert fast ein wenig an längst vergangene Schulzeiten, wenn Antworten wie „Bewusstlosigkeit“ oder „Hilflosigkeit“ in den Raum geworfen werden. „Achtzig Prozent der Notfälle finden im häuslichen Bereich statt“, so die Ausbilderin und spricht dabei von Herzinfarkten oder Schlaganfällen: „Fünf Minuten bis zum Hirntod, drei Minuten bis zu Gehirnschäden“. Ist ein Mensch bewusstlos, erschlafft die Muskulatur. Es ist still in dem großen Raum. Dann ist die Rede von einem anderen Szenario, Petra Bortz erklärt Hilfsmaßnahmen einer Rettungskette, bei der immer „Eigenschutz vor Fremdschutz“ gilt. Wichtig beim Absetzen eines Notrufs 112 sind die Antworten zu den „W-Fragen“ - wo, wie, wie viele Geschädigte und welche Verletzungen man erkennen kann. 

„Wer meldet sich freiwillig für die stabile Seitenlage?“ Schnell klären sich manche bereit dazu. Zuerst wird die Person angesprochen, reagiert sie nicht, muss die Atmung überprüft werden. Die Ausbilderin macht es vor, wie sie neben dem Verletzten kniet und ihr Ohr vor Nase und Mund hält mit Blick in Richtung Bauch. „Hören und spüren Sie trotz der Stress-Situation genau hin und beobachten Sie zugleich, ob sich der Brustkorb senkt“, erklärt Petra Bortz und rät, mindestens drei bis vier Atemzüge abzuwarten. Ist die Person bewusstlos, atmet aber normal, kann sie in die stabile Seitenlage gebracht werden. „Dadurch kann Erbrochenes oder Blut abfließen und nicht in die Atemwege gelangen. Gut, wenn man die vier lebensrettenden Handgriffe quasi wie im Schlaf beherrscht. „Kaktus-Kuscheln-Knie-Kippen“, lautet die Eselsbrücke“. Nachdem die Person auf dem Rücken liegt, winkelt man einen Arm (der dem Helfer am Nächsten liegt) im rechten Winkel (Achselhöhle, Ellenbogen) nach oben ab: So liegt er wie ein Kaktus-Arm neben dem Kopf. Danach kommt das „Kuscheln“. Man nimmt den anderen Arm und legt die Hand an die Wange, wo der Kaktus-Arm nach oben zeigt. Schließlich zieht man das hintere Knie hoch, stellt jenes Bein zeltartig nach oben, das auf der Kuschel-Arm-Seite liegt. Dann greift man das aufgestellte Bein und zieht oder kippt es sachte zu sich – der Körper rollt zur Seite. Zum Schluss noch den Kopf überstrecken, damit die Atemwege frei bleiben. 

Irgendwann kommt „Anne“ zum Einsatz, an der bereitwilligen und realistischen Puppe wird der Ernstfall der Reanimation geübt. Immer und immer wieder, alle 13 Männer und Frauen, die danach die Dame jedes Mal gründlich desinfizieren mussten. 30 Mal auf den Oberkörper drücken - bis zu sechs Zentimeter tief im unteren Rippenbereich - Petra Bortz wird nicht müde zu zeigen, wie es richtig geht. Angst davor die Rippen zu brechen? Sei eher unwahrscheinlich erklärt die Ausbilderin. Blutung stillen, Verbände wechseln, Schock erkennen - die Zeit verging wie im Fluge und alle Teilnehmenden bekamen ihre Bescheinigung.  

(Text und Fotos: Sabine Ackermann)

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Erste-Hilfe-Ausbildung vor 60 Jahren

„Die Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe gehört von Beginn an, also seit 1960, zu unseren Kernaufgaben. Mit diesem Angebot begannen die Malteser damals ihre ehrenamtliche Arbeit im Kreis Göppingen“, weiß der stellvertretende Kreisbeauftragte Alexander Baur im Hinblick auf das 60jährige Jubiläum, welches die Uhinger Malteser in diesem Jahr eigentlich hätten feiern wollen. Doch Corona-bedingt müssen sie nun auf ein Jubiläumsfest 60+1 im kommenden Jahr hoffen.

Wie war es damals vor 60 Jahren, als die Malteser im Kreis Göppingen mit der Erste-Hilfe-Ausbildung begannen? Da wurde großen Wert auf die Anatomie gelegt. Atemstillstand beschränkte sich auf die Verlegung der Atemwege durch Ertrinken, Verschütten oder Lawinen. Schlaganfall oder Herzinfarkt kamen in der Ersten Hilfe nicht vor. Dafür Knochenbrüche aller Art, die man mit Leiterschienen, Polsterungen und Dreiecktüchern versorgte. Einen Rettungsdienst wie heute gab es auch noch nicht, so dass der Umgang mit Krankentragen und Krankentransporten intensiv geübt wurde. Die vielen anatomischen Unterrichtseinheiten wurden von Ärzten unterrichtet und - für die Malteser selbstverständlich - eine Doppelstunde mit dem Seelsorger. Einen Versehtisch herzurichten, den Umgang mit Leben und Tod aus christlicher Sicht näher zu bringen, waren seine Themen. Dies auf der Grundlage einer über 900-jährigen Tradition des Malteser Ritterordens – der ältesten caritativen Organisation und zur Unterscheidung zu rein humanitären Organisationen.

„Da war es dann nicht verwunderlich, dass viele der Kursteilnehmer aus den Reihen der Sankt Georgspfadfinder und -Pfadfinderinnen kamen, denn die Teilnahme an den Kursen war freiwillig und kostenlos und von den Pfadfinder wissen wir um die tägliche 'Gute Tat'“, weiß Alexander Baur. Und mit diesen Erste Hilfe Kursen wurde der Grundstock gelegt für die jetzt 60-jährige erfolgreiche Arbeit der Malteser im Kreis Göppingen, so Baur.